Über Carsten Gabbert
Nach seinem Studium der Germanistik und Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg arbeitete Gabbert zunächst in der freien Wirtschaft. Von Juli 2004 bis Juli 2020 war er Bürgermeister der Gemeinde Schuttertal und dabei auch Mitglied im Kreistag, in der Regionalverbandsversammlung Südlicher Oberrhein und im Landesvorstand des Gemeindetags Baden-Württemberg.
Nach seiner zweiten Amtszeit machte sich Gabbert als Berater in den Bereichen IT, Moderation, Coaching, Weiterbildung, Organisationsentwicklung und Projektmanagement selbstständig. Seit dem 1. April 2024 ist er Regierungspräsident des Regierungsbezirks Freiburg. Gabbert ist Mitglied der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“.
Carsten Gabbert – Regierungspräsident des Regierungsbezirks Freiburg
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Rolle, Herr Gabbert. Welche Aufgaben und Verantwortungen sind mit Ihrer Position verbunden?
Ich leite eine große Verwaltungseinheit mit 8 Abteilungen, rund 70 Referaten und ca. 1800 Mitarbeitenden. Unsere Themen sind Bauen, Bildung, Mobilität, Umwelt, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Geologie und Bergbau. Durch meine kommunale Herkunft kenne ich viele unserer Themen und bin anschlussfähig.
Sie haben umfangreiche Erfahrungen als Berater im öffentlichen Sektor. Welche Lehren aus dieser Zeit fließen nun in Ihre Arbeit ein?
Selbstverständlich möchte ich dieses Mindset mit in unsere Verwaltung bringen. Ich begreife Digitalisierung als große Chance, um die Menschen zu entlasten und den sehr komplexen Herausforderungen gerecht zu werden.
Wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Digitalisierung der deutschen Verwaltung auf einer Skala von 1 bis 10 (10 ist sehr gut)?
Damit tue ich mich etwas schwer. Die Verwaltung ist ja extrem heterogen. Meinen Sie damit die Stadt München, ein Landesministerium oder eine kleine Gemeinde im Schwarzwald? Insgesamt denke ich, dass der Öffentliche Sektor die großen Digitalisierungsthemen der letzten 30 Jahre (DMS, Prozess-Management und Digitalisierung, Automatisierung, Cloud, SaaS, KI, New Work, Kollaboration usw.) nur sehr bedingt nachvollzogen hat. Daher würde ich die Bewertung eher zurückhaltend sehen. Vielleicht 5. Aber es gibt dabei auch zahlreiche Ausreißer nach oben. Bei uns laufen schon auch einige Themen, wie E-Akte, Home-Office etc.
Wenn Sie in Ihrer aktuellen Position alle Ressourcen und Macht hätten, welche Maßnahmen würden Sie ergreifen, um Ihren Regierungsbezirk in der Verwaltungsdigitalisierung näher an die 10 zu bringen?
Ich würde meine Mitarbeitenden vier Wochen in eine schöne inspirierende Umgebung packen und sie alle möglichen Tools und Methoden ausprobieren lassen.
In Ihrer früheren Beratungstätigkeit haben Sie Behörden bei der Auswahl und Implementierung dieser Methoden und Tools unterstützt. Welche Kriterien sollten Tools erfüllen, um einen echten Mehrwert für die Verwaltungsdigitalisierung zu bieten?
Wir haben natürlich die harten Anforderungen an Datenschutz und -Sicherheit, da brauchen wir nicht lange reden. Darüber hinaus ist für mich das wichtigste Kriterium eine intuitive Bedienung. Wenn die Nutzenden das Gefühl haben, sie finden sich schnell zurecht, sie werden nicht verunsichert und sie können nach zwei Wochen Pause direkt wieder einsteigen, dann ist eine Software aus meiner Sicht gut. Außerdem sollten die Werkzeuge nicht überfrachtet sein, sondern nur die Funktionen zeigen, die auch gebraucht werden. Also „Cleanness“.
Welche Hauptbarrieren sehen Sie aktuell, die den Fortschritt der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung behindern, und wie können diese überwunden werden?
Es ist zwar ein Buzzword, aber ich denke schon, dass das ein Mindset-Thema ist. Um eine Vorstellung von Digitalisierung oder Methoden zu haben, sollte ich sie einfach kennen oder zumindest schon erlebt haben. Daher finde ich es sehr wichtig, Berührungspunkte zu schaffen, Beispiele sichtbar zu machen und vielleicht auch die Start-Up- und Digitalisierungsbranche mit der Verwaltung in Berührung zu bringen. Hier würde ich ansetzen. Die erleichterten Vergabe-Bedingungen in BaWü für dieses Thema gehen für mich in die richtige Richtung.
Welchen Rat würden Sie Führungskräften im öffentlichen Sektor geben, um trotz der bestehenden Herausforderungen die Digitalisierung voranzutreiben?
Eigentlich geht mein Vorschlag hier in die gleiche Richtung: Anschauen, neugierig sein und bewerten, was hilft meinen Mitarbeitenden, was hilft meinen Teams. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass es immer Menschen mit Affinität zu diesen Themen gibt. Diese sollte man stärken und machen lassen.
Viele Kommunen und andere Behörden sprechen in ihren Digitalstrategien davon, dass man sich unabhängig von Softwareanbietern machen möchte. Dennoch werden etablierte Tools nach wie vor im öffentlichen Sektor eingeführt, widerspricht sich das nicht?
Die großen Softwareanbieter arbeiten mit ihren Teams ständig an der Verbesserung Ihrer Produkte. Es ist für mich faszinierend zu sehen, welche Innovationssprünge z.T. Immer noch kommen. Daher finde ich den Gedanken geradezu absurd, hier unabhängig sein zu wollen. Ich war in meiner früheren Tätigkeit nur in einem Ökosystem unterwegs. Dies war für mich maximal produktiv. Das vermisse ich. Ich würde hier eher die Nähe zu den Anbietern suchen.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Stackfield Experten-Interviews. Die gegebenen Antworten spiegeln die Meinung des befragten Experten wider und müssen nicht zwangsläufig der Meinung von Stackfield entsprechen. Die Teilnahme an dieser Interview-Reihe erfolgt unentgeltlich. Wir bedanken uns herzlich bei Herrn Gabbert für seine Antworten.
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