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LEITFADEN Vor diesen Herausforderungen stehen Unternehmen 2025
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Interview-Damian-Wagner-Herold

Damian Wagner-Herold: Smart-City-Projekte in der Pilotierungsfalle

6 Min. Lesedauer  •  27. Februar 2025

Kernaussagen

  • Smart-City-Projekte brauchen von Anfang an eine Roadmap für Betrieb, Skalierung und nachhaltige Finanzierung.
  • Kommunen müssen Wirtschaft, Stadtwerke und Start-ups frühzeitig einbinden, um tragfähige Innovationen zu entwickeln.
  • Bürger sollen nicht nur befragt, sondern aktiv in die Lösungsentwicklung eingebunden werden.
  • Verwaltungen brauchen eigene Einheiten für Digitalisierung und Innovationsmanagement, um Projekte effizient umzusetzen.

Über Damian Wagner-Herold

Damian Wagner-Herold ist Experte für die Umsetzung und Skalierung von Smart City und GovTech-Projekten sowie für die kommunale Zusammenarbeit mit Start-ups. In seinen Stationen bei führenden Stadtwerken, Beratungen, dem Fraunhofer IAO und als Unternehmer hat er gemeinsam mit über 90 Städten in Deutschland und Europa erfolgreiche Innovations- und Digitalisierungsprojekte und Initiativen umgesetzt. Neben seiner Arbeit mit Kommunen ist er u.a. Co-Gründer und Vorstand des Angelinvestorennetzwerks DVVC in Ulm und Betreiber von Wasserkraftanlagen in seiner Heimat Freiburg.


Damian Wagner-Herold – Experte für Smart-City und GovTech Kommunal

Herr Wagner-Herold, ist „Smart City“ ein Modewort oder ein entscheidendes Konzept für die Zukunft unserer Städte?

Smart City ist beides. Einerseits macht der Begriff digitale Transformation greifbar, andererseits entscheidet die konkrete Umsetzung darüber, ob daraus spürbare Verbesserungen für Verwaltung, Bürger und Unternehmen entstehen. Storytelling und klare Kommunikation sind daher erfolgskritisch. Gleichzeitig sind interoperable Lösungen mit tragfähigen Geschäfts- und Betriebsmodellen ausschlaggebend- und Verwaltungsprozesse, die dies leisten können.

Aus meiner Erfahrung mit europäischen Smart-City-Programmen, dem MPSC oder Indiens 100 Smart Cities sehe ich eine Konstante: Smart City ist ein Lernprozess. Innovation bedeutet ausprobieren, scheitern, besser machen – und voneinander lernen. Städte, die diesen Prozess aktiv gestalten, sichern sich als Wohn- und Wirtschaftsstandorte die Zukunftsfähigkeit.

Wie gut ist Deutschland in diesem Bereich im Vergleich zu anderen Ländern aufgestellt? Sind wir Vorreiter oder hinken wir hinterher?

Deutschland hat mit dem MPSC-Programm wichtige Impulse gesetzt, aber es fehlt oft an frühzeitigen Konzepten für Skalierung, nachhaltigen Betrieb und organisatorische Verankerung. Zudem scheint die Kooperation mit Stadtwerken, Wirtschaftspartnern und Start-ups häufig noch ein blinder Fleck.

Als ich 2015 eines der ersten europäischen Smart-City-Konsortien leitete, hatten wir von Beginn an 50 % Wirtschaftspartner eingebunden. Das half, nachhaltige Strukturen und Geschäftsmodelle zu entwickeln und die Frage nach dem Betrieb zu klären. Dafür braucht es eine „Ermöglichungskultur“. Das heben dieser Potenziale ist der Kern meiner Arbeit, wenn es darum geht Kommunen mit Start-ups und Innovativen Unternehmen zusammenzubringen z.B. mit innovativen Beschaffungsprozessen, Reallaboren oder bei der frühzeitigen Entwicklung entsprechender Betriebsmodelle.

Grundsätzlich denke ich, dass Deutschland eine steile Digital- bzw. Smart-City-Lernkurve vollzieht. Diese haben viele europäische Projekte bereits durchlebt. Daher halte ich den Austausch für wichtig und treibe ihn als Kenner beider Welten voran.

Welche zentralen Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung von Innovations-Projekten in deutschen Kommunen? Und wie können diese gemeistert werden?

Mit Blick auf die Herausforderungen ist Technologie in der Regel nur die Spitze des Eisbergs. Die großen Herausforderungen liegen unter der Oberfläche:

  • Starre, risikoaverse und stark ausgelastete Verwaltungsstrukturen
  • Komplexe, innovationsfeindliche Beschaffungsprozesse
  • Fehlende Expertise und Kapazitäten für den Betrieb
  • Keine nachhaltige Verankerung und Finanzierung über die Förderphase hinaus

Oft gibt es zwar eine „Koalition der Willigen“ aber die durchschnittliche deutsche Kommune hat keine Ressourcen und Kapazitäten eines Münchens, Hamburgs oder Stuttgarts. Gleichzeitig braucht Innovation Kooperation mit Wirtschaftspartnern, Stadtwerken und Start-ups. Hier ist das MPSC aus meiner Sicht bislang zu zögerlich. Ohne frühzeitige Strategien für Skalierung und Betrieb droht die Pilotierungsfalle. Nutzen entsteht vor allem dort, wo Technologie interoperable und über ein (full) Servicemodell zugänglich ist.

Es gibt auch viele gute Beispiele für ein ganzheitliches Vorgehen: In Ulm haben wir mit einem KI-Start-up einen Angstraum mit einem digitalen Begleiter sicherer gemacht. Mit dem Innovationsmotor Ulm hatten wir einen Wettbewerb mit einem ko-kreativen Erprobungsprozess der Start-ups und einem innovativen Vergabeverfahren kombiniert. In nur acht Monaten haben wir es von der Idee bis zur Vergabe gebracht.

Sie sprechen immer wieder davon, dass Smart-City-Projekte in der „Pilotierungsfalle“ stecken bleiben. Was bedeutet das und was sind Ihre Empfehlungen, um das zu vermeiden?

Viele Projekte scheitern, weil sie keine Strategie und Finanzierung für Skalierung und Betrieb haben. Oft verpuffen die Maßnahmen und aufgebaute Strukturen zerfallen mit dem Ende der Förderung. Städte müssen unternehmerisch denken insbesondere mit Blick auf den Customer- Journey, d.h. den Nutzen für Ihre Bürger, Besucher und Wirtschaft. Ein gutes Beispiel dafür ist die „Wiederbelebung“ unserer Innenstädte. Ihre Stärke gegenüber dem Onlinehandel liegt in besserer Aufenthaltsqualität und im dem Einkaufserlebnis für die Besucher. Gleichzeitig müssen Städte von Anfang an mitdenken, skalierbare Geschäfts- bzw. Betriebsmodelle zu entwickeln, frühzeitig mit Wirtschaftspartnern und den eigenen Stadtwerken zu kooperieren und Vergabemodelle zu nutzen, die Innovation und die Partnerschaft mit Start-ups ermöglichen. Nur so kann Modernisierung verankern und Verwaltung effizienter werden.

Dazu empfehle ich unser Assessment der Europäischen Smart Cities, das wir im Auftrag der Europäischen Kommission zum Thema Skalierung von Smart Cities durchgeführt haben: European Smart Cities Business Models. Avoid the trap: From piloting projects to upscaling.

Wie gelingt echte Bürgerbeteiligung in Smart Cities?

Ich denke Bürgerbeteiligung muss mehr sein als das bloße – oft aufwendige- Einholen von Meinungen. Sie sollte aktiv Lösungen mitgestalten. Entscheidend dafür ist die Kombination aus klarer, professioneller Kommunikation, die Prozesse und Ergebnisse nachvollziehbar macht und die Co-Kreation von Lösungen mit Betroffenen.

Beispielsweise haben wir in Eindhoven mit den Anwohnern für einen verwahrlosten Teich smarte Beleuchtung für Jogger und Gassigeher entwickelt. Der Green Industry Park in Freiburg wird auch nach 10 Jahren noch immer von rund 30 Unternehmen und Organisationen getragen. Das nachhaltige Industriegebiet war von Anfang an Teil einer ausführlichen Kommunikationsstrategie, inklusive eines Besucherkonzepts für die spannenden Projekte der Unternehmen.

Aber: Erfolgreiche Innovation muss intern verfangen. Verwaltungskollegen müssen zusätzliche Aufgaben neben ihrem Tagesgeschäft stemmen – ohne interne „Ownership“ bleibt Bürgerbeteiligung folgenlos.

Daten spielen eine Schlüsselrolle in Smart Cities – wie können wir Innovation vorantreiben, ohne Datenschutz zu gefährden?

In meiner Wahrnehmung verhindert die „German Angst“ beim Thema Daten oft die „Initialzündung“ und Umsetzung von Innovationsprojekten. Viele Daten liegen bereits innerhalb der Kommunen vor, werden aber nicht zusammengeführt. Die Nutzung und Bereitstellung von Daten ist aus meiner Sicht die „Low Hanging Fruit“ der Smart Cities aber auch die Grundlage für KI Anwendungen mit enormen Vorteilen für alle Beteiligten. Teil dieser Infrastruktur sind die kommunalen Datenplattformen, die nicht als „Insellösung“, sondern in der Vernetzung untereinander bzw. auf Landesebene ihr volles Potenzial entfalten werden.

Leider wird im Vergleich zu anderen Ländern die Europäische Datenschutzverordnung bei uns noch restriktiv ausgelegt. Diese Erfahrung habe ich u.a. beim Erproben von KI im städtischen Raum gemacht, da dort oft der Einsatz von Kameras bzw. optischen Sensoren notwendig ist. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass die Smart City Projekte helfen werden einen ausbalancierten und zukunftsorientierten Weg für den Datenschutz zu finden. Das tolle: Viel skalierbare Daten-Anwendungsfälle stehen schon in den Startlöchern, z.B. für eine deutlich effizientere integrierte Energieplanung für Kommunen.

Gibt es eine Stadt, die Sie als Vorbild für Smart-City-Projekte sehen?

Es gibt keine universelle Blaupause, spannende Beispiele und „Wegbereiter“. Während Metropolen wie Kopenhagen oder Amsterdam Vorreiter sind, beeindruckt mich besonders die Transformation kleinerer deutscher Städte z.B. bei uns im Ländle Ulm, Konstanz oder Pforzheim.

Entscheidend sind für mich am Ende interoperative Lösungen und nachhaltige Organisationsstrukturen. Leipzig hat über viele Jahre die Abteilung Digitale Stadt aufgebaut, die heute viele erfolgreiche Projekte vorantreibt und wesentlicher Treiber und Träger der digitalen Transformation dort ist. Das zeigt aber auch: Erfolg braucht Zeit, Durchhaltevermögen und politischen Willen.

Wie stellen Sie sich die Stadt der Zukunft vor? Welche Technologien und Innovationen werden unser urbanes Leben in den nächsten 10 bis 20 Jahren prägen?

Kommunen werden unternehmerischer denken. Sie werden sowohl Wegbereiter als auch Markt für Innovation sein. Verwaltungen werden deutlich kundenorientierter agieren – dank automatisierter Prozesse, sowie Daten und Technologien, die helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Kommunen werden ihre Kräfte bei den Themen Cybersecurity, KI und Daten gebündelt haben und starker Treiber des Wirtschaftsstandort Deutschland sein, da Start-ups und Unternehmen gute Voraussetzungen für Ihre Entwicklung und Wachstum vorfinden.

Ob Bargeld und EC-Kartenzahlungen noch immer vorherrschendes Zahlungsmittel sind, wage ich allerdings nicht vorauszusagen.

Wenn Sie Bürgermeister wären, welches Projekt würden Sie sofort umsetzen?

Ich würde eine Querschnitts-Abteilung bzw. kommunale Gesellschaft aufbauen, die Digitalisierung, Forschung & Entwicklung sowie (EU)-Förderprojekte bündelt und als zentraler Dienstleister innerhalb der Verwaltung vorbereitet, managet und die Integration in die Fachbereiche unterstützt. Daran angegliedert ist ein kommunaler Innovations- bzw. Chancenfonds für die schnelle Co- bzw. Vorfinanzierung von Innovationsprojekten, Erprobungen und die Antragstellung von Förderprojekten. Erfolgreiche Beispiele für solche Fonds gibt es in München, Stuttgart oder Freiburg. Entscheidend dabei: Zuhören! Digitalisierung schafft nur dort echten Mehrwert, wo die Bedürfnisse und Anforderungen der Menschen wirklich verstanden wurden.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Stackfield Experten-Interviews. Die gegebenen Antworten spiegeln die Meinung des Experten wider und müssen nicht zwangsläufig der Meinung von Stackfield entsprechen. Die Teilnahme an diesem Interview erfolgte unentgeltlich. Wir bedanken uns herzlich bei Herrn Wagner-Herold für seine Antworten.

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Cristian Mudure
Über den Autor:
Cristian Mudure ist der Gründer und CEO von Stackfield. Er liebt digitale Geschäftsmodelle und verbringt seine Freizeit gerne auf dem Tennisplatz.
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