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Interview-Maike-Küper

Maike Küper: "Deutsche Unternehmen haben ein Kulturproblem"

6 Min. Lesedauer  •  15. Januar 2025

Kernaussagen

  • Kulturentwicklung ist eine zentrale Herausforderung für viele Unternehmen in Deutschland.
  • Probleme wie starre Strukturen, schlechte Stimmung bei Mitarbeitenden und mangelnde Innovation erschweren positiven Wandel.
  • Eine erfolgreiche Organisationsentwicklung basiert auf klarer Problemanalyse, iterativen Ansätzen und partizipativer Vorgehensweise.
  • Das Management sollte sich auf seine Stärken konzentrieren und Veränderungen gemeinsam mit Mitarbeitenden vorantreiben.

Über Maike Küper

Maike Küper ist Organisationsentwicklerin, In-Frage-Stellerin und Ideengenerateurin. Sie begleitet am liebsten Teams, die ihre Organisation oder sich selbst weiterentwickeln möchten - dabei ist "Warum?" ihre Lieblingsfrage. Den Status Quo zu hinterfragen und Organisationen auf dem Weg vom linearen Management zu anpassungsfähigen Organisationen, Führungs- und Arbeitsmodellen zu verhelfen, ist ihr ein persönliches Anliegen. Zu ihrem Speakerinnen-Profil.


Maike Küper – Organisationsentwicklerin und Agile Coach

Was machen Sie als Organisations- & Kulturentwicklerin in Ihrem Arbeitsalltag?

Ich begleite mittelständische und große Unternehmen in allen Branchen dabei, sich zukunftsfähig aufzustellen. Die größeren Baustellen sind oft sehr ähnlich – zu lange Zeiten von guten Ideen bis zu marktfertigen Produkten oder Dienstleistungen, zu wenig Innovation, schlechte Stimmung, veraltete Strukturen und Arbeitsweisen. Dann sagt (hoffentlich) jemand: "Wir müssen etwas machen." Und dann sprechen sie oft mit mir, weil die Unternehmensleitungen oder ihre HR- bzw. People&Culture-Verantwortlichen oft gar nicht wissen, wie sie am besten anfangen.

Ich helfe zuerst bei der Analyse: Was sind die Probleme und welche Hypothesen haben wir, woran das liegt? Wie ist unsere Kultur aktuell, und welche Strukturen und Rahmenbedingungen haben wir? Was müssen wir priorisiert angehen, weil es uns wirklich schadet? Und danach: Was können wir tun, welche Interventionen können wir ausprobieren?

Wie bewerten Sie den Bedarf für Kulturentwicklung in deutschen Unternehmen?

Kurz gesagt: Wir haben ein Kulturproblem. Das dürfte die breite Masse nicht überraschen, unsere Wirtschaft stockt nicht ohne Grund, wir haben viele Jahre Digitalisierung und Modernisierung verschlafen – auch, weil es vielen Unternehmen zu gut ging. Das rächt sich jetzt. Viele Strukturen sind verkrustet, viele Angestellte zu Recht unzufrieden aufgrund ewiger Entscheidungsrunden, null Klarheit in der Ausrichtung oder einer veralteten Vorstellung von Führung.

Woran können Organisationen erkennen, dass sie eine Entwicklung nötig haben?

Ganz ehrlich: Ich glaube, das ist meist nicht das Problem. So ziemlich jedes Unternehmen, das ich gesehen habe, kannte viele seiner Baustellen. Bei den Kulturthemen ist das Problem eher, dass selten klar ist, wie man eine Lösung angehen soll – und wie die genau aussieht. Oder dass es zu schwierig wirkt, weil es es schon seit 30 Jahren so ist. Oft werden Kulturprobleme aber stark unterstützt in ihrem Einfluss auf wirtschaftlichen Erfolg.

Ein paar offensichtliche Warnlichter:

  • Viele Leute kündigen
  • Die Krankheitstage sind hoch
  • Mitarbeiterumfragen sind miserabel
  • Schlechte Kununu-Bewertungen

Ich merke das auch schnell im „Vibe-Check“. Wenn viel gelacht wird, im Büro Türen offen sind und der CEO nicht hinter 3 Vorzimmern sitzt, sind das hingegen gute Zeichen.

Gibt es auch Warnzeichen, die nur auf den zweiten Blick ersichtlich sind?

Ja, es gibt auch einige subtilere Warnlichter:

Fehlende psychologische Sicherheit:
Wenn niemand sich traut, seine Meinung zu sagen oder Autoritäten zu widersprechen, ist das gefährlich – darunter leiden Ergebnisse und Entscheidungen. Psychologische Sicherheit ist als Erfolgsfaktor immer noch total unterschätzt. Das ist kein „softes“ Thema, um das man sich erst kümmern sollte, wenn man nix besseres zu tun hat.

"Kuschelkulturen"
Manchmal ist das aber auch nicht so schnell ersichtlich. Ich nenne diese Kulturen oft „Kuschelkulturen“. Alles ist wahnsinnig nett – aber niemand traut sich, diese Harmonie zu stören, mit berechtigtem Widerspruch oder Kritik. Das Ergebnis sind meist Flurfunk, Lästerei und Informationsasymmetrien. Wo Menschen sind, sind IMMER Konflikte.

Dienst nach Vorschrift
Wenn selbst engagierte Menschen Dienst nach Vorschrift machen und viele resigniert ihre Arbeit erledigen, aber keine neuen Ideen mehr fließen – dann hat das System zu viel Kraft gezogen, und man sollte dringend schauen, was da so frustriert. Das erlebe ich oft in stark bürokratischen Organisationen.

Angst
Am schlimmsten sind für mich Organisationen, in denen Angst herrscht. Oft passiert das, wenn schlecht geführt wird – mit Erniedrigung, Micromanagement etc. Aber auch Angst vor einer drohenden Kündigungswelle oder die Tatsache, dass wegen Geldmangel die Kekse in den Meetings gekürzt wurden führen sofort dazu, dass Menschen sich zurückziehen, absichern etc.

Wenn sich Organisationen dafür entscheiden, beispielsweise eine agilere Kultur zu etablieren, worauf müssen Sie achten? Welche Fallstricke gibt es?

Der Fehler steckt schon in der Auftragsformulierung. ;) Es sollte nicht darum gehen, eine agile Kultur zu etablieren. Oder – grusel – auszurollen. Agilität ist kein Selbstzweck, agile Methoden sind nur EINE Möglichkeit.

Also bitte immer bei den Fragen anfangen: Was soll besser werden? Schnelligkeit, Kreativität, Atmosphäre, Effizienz? Wenn man sich Zeit für die Problem-Analyse und die Suche nach einer individuellen Antwort für das eigene Unternehmen macht, ist man schon 80% besser unterwegs als andere. Dann gerne noch 3-4 weitere Prinzipien befolgen, die ich immer predige:

  • Iterativ vorgehen
  • keinen "Masterplan 2028" kreieren
  • keine Rollout-Pläne festlegen, denn eine Kulturentwicklung ist keine Produktauslieferung
  • und die Mitarbeitenden einbinden

Es ist viel schwieriger, Leute von einem tollen Kulturprogramm zu überzeugen, das sich die GF ausgedacht hat, als von Anfang an all diejenigen zu beteiligen, die WOLLEN (!) und dann einen gemeinsamen Plan zu verfolgen.

Welche Fähigkeiten sollten Führungskräfte mitbringen, um erfolgreich so einen Wandel voranzutreiben?

Ich spreche nicht so gern über Führungskräfte, da diesen oft zu viel zugemutet wird. Das Top-Management muss mindestens eine machtvolle Person haben, die eine Kulturveränderung wirklich will, sonst besteht immer die Gefahr, dass das Engagement verpufft. Gute Unterstützer für den Kulturwandel müssen offen sein, mit Unsicherheit umgehen können (denn wenn man losgeht, weiß man einfach noch nicht, wo man landet, und das muss so sein) und gut kommunizieren können. Denn mehr Unsicherheit will gerade eigentlich niemand.

Das Vorgehen muss also ein bisschen „beschützt“ und empathisch kommuniziert werden. UND das Thema muss Priorität haben und (professionelle) Kapazität bekommen, über einen längeren Zeitraum. Kulturwandel ist kein 12-Monats-Projekt. Leider werden, in meiner Erfahrung, Kulturaktivitäten oft von Frauen geschultert, die wirklich etwas bewegen wollen, das aber neben ihrer normalen Arbeit machen. Das ist nicht fair, und es wird nicht funktionieren. Organisationsentwicklung ist ein Invest.

Gibt es Organisationen, die eher die Finger von mehr Agilität und einer progressiveren Arbeitskultur lassen sollten?

Die, die Agilität einfach einführen wollen und sich nicht damit auseinandersetzen wollen, was das eigentlich bedeutet. Das sind oft die, die es nur aufgrund von Trends oder aus Angst machen, weil es alle machen. Das ist übrigens der teuerste Weg: Viel Tamtam, viel Aktionismus, wenig Impact. Ein weiterer Nicht-Erfolgsgarant: Die Organisationen, in denen das Führungsteam keine Lust hat, sich selbst auch zu verändern.

Ansonsten: nein. Wie gesagt: In jedem Unternehmen steckt ein besseres. Ich habe noch kein perfektes gesehen. Meine 1-Frau-Firma bestimmt auch nicht.

Gibt es Einstellungen oder Aussagen, die Ihnen häufig in Organisationen begegnen, die Sie so richtig aufregen?

„Die müssen einfach das richtige Mindset haben“. Das ist ablenkendes und überhebliches Gerede, das gar nichts verändert, sondern einfach nur die Schuld für schlechte organisationale Strukturen oder eine „falsche“ Kultur bei Menschen ablädt, die anders sind als man selbst. Haltungen verändern sich meistens dadurch, dass sich Rahmenbedingungen ändern und Menschen ihre Meinung überdenken oder neue Verhalten ausprobieren. Nicht durch Trainings oder Appelle, und schon gar nicht durch herablassende Zeigefinger.

Meine Lieblingsmomente in Organisationsentwicklungs-Prozessen sind die, wenn Menschen in Rollen, die vermeintlich nichts mit Strategie oder Kultur zu tun haben – z.B. Produktionsmitarbeiter*innen, Sachbearbeiter*innen – in Kulturaktivitäten involviert werden und dabei total aufblühen und alle überraschen. Ganz abgesehen davon, dass die Menschen zufriedener werden und eher im Unternehmen bleiben, halte ich das in Sachen demokratischer Beteiligung auch für gesellschaftlich wichtig.

Was würdest du nun Unternehmen raten/empfehlen, die loslegen wollen mit der Organisationsentwicklung?

Ich mag das Zitat vom Organisationspionier Ernst Weichselbaum sehr: „In jedem Unternehmen steckt ein besseres“. Eins meiner Anliegen ist es, dass Unternehmen sich zutrauen, Kulturthemen anzugehen, auch wenn Transformation in komplexen Zeiten immer so schwierig klingt. Es reicht eigentlich, erstmal zu sagen: Wir haben das Gefühl, dass wir es besser könnten, oder wir sehen andere Firmen, die auf einem besseren Weg sind. Oder: So wie es ist, kann es nicht bleiben. Und dann strukturiert die Probleme auf den Tisch zu bringen, mit viel Partizipation und Dialog. Danach priorisieren: Was schadet uns wirklich, was wird am meisten kritisiert? Und für all diese Schritte gibt es Unterstützung, und man darf sich ausprobieren. Hauptsache, man geht den ersten Schritt und bleibt dran.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Stackfield Experten-Interviews. Die gegebenen Antworten spiegeln die Meinung der Expertin wider und müssen nicht zwangsläufig der Meinung von Stackfield entsprechen. Die Teilnahme an diesem Interview erfolgte unentgeltlich. Wir bedanken uns herzlich bei Frau Küper für Ihre Antworten.

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Cristian Mudure
Über den Autor:
Cristian Mudure ist der Gründer und CEO von Stackfield. Er liebt digitale Geschäftsmodelle und verbringt seine Freizeit gerne auf dem Tennisplatz.
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